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Eike Gebhardt I GG & G (German)

 
 

GG&G – der Gleichklang suggeriert die hinter-, die untergründigen Verbindungen, die, jedem einsehbar, als scheinbar unentrinnbares Geflecht, gleichsam als Psycho-Fangnetz wirken. Natürlich ging es nicht um christliche Gemeinplätze –das goldene Kalb z.B. oder Ablass (den wohl intimsten Nexus zwischen Guilt und Gott und Geld); auch nicht um den neoliberalen Monotheismus des Mammon. Wollte man einen pompösen Begriff bemühen, zielten wir auf die – in variantenreichen Euphemismen gut versteckten -‚psychohistorischen’ Prozesse, die unser angeblich säkulares Zeitalter längst ignoriert oder verdrängt hat, zumindest nicht mehr reflektiert. Nicht selten aber weisen andere Kulturen uns auf die religiösen Wurzeln unseres Pragmatismus hin …

Wie üblich wurden für das Symposium, dessen thematisch relevante Beiträge hier dokumentiert sind, nicht nur Autor(inn)en möglichst verschiedener Kulturkreise rekrutiert, sondern auch interdisziplinäre Ansätze favorisiert. Brücken zu suchen, gegebenenfalls zu schlagen, alle Arten Übergänge zu finden oder bilden zwischen scheinbar natürlich oder gewollt getrennten Lebensbereichen und Diskursen, ist die Aufgabe, die sich Artneuland gestellt hat. Eine solche (im Wortsinn) ‚Übersetzung’ zwischen Kulturen und Diskursen kann sich nicht mit sprachlicher ’Übertragung’ der Beiträge begnügen: Die jeweiligen Bezugsrahmen samt ihren tradierten, symbolischen und idiomatischen Bedeutungen müssen weithin zur Deckung, wenigstens aber auf einen gemeinsam verständlichen Nenner gebracht werden; uns wenn es nicht gelingt, dann sollten sie zumindest einander derart überlagern, dass sie, palimpsestartig – die in jeder Äußerung, in jedem Begriff aktiven Sinnfelder und ihre Abweichungen sichtbar und vergleichbar machen. Im Grunde ist das nur die Praxis eines jeden guten Gesprächs – denn jede Kommunikation setzt die Fremdheit des Gegenüber voraus. Bewegten wir uns alle im selben Bezugsfeld, würde jedes Gespräch überflüssig – wir müssten nur noch Informationen austauschen. Erst die Fremdheit macht es nötig, scheinbare Selbstverständlichkeiten auch zu hinterfragen. Gott ist uns nicht mehr selbstverständlich – für andere Kulturen aber dient ‚Er’ noch immer als Code all dessen, was Menschen nicht verstehen oder wofür sie selber keine Verantwortung übernehmen wollen, einschließlich ihrer eigenen Handlungen. Religiöser Befehlsnotstand. Guilt aber gilt für beide, auch für eher säkulare Gemüter, als Chiffre für die Scham verfehlter Verantwortung – vor dem Gebot der Selbstbestimmung genauso wie vor dem Gebot der Fremdbestimmung (durch Gott zum Beispiel). Jeder Gehorsam ist eine Fremdbestimmung, wusste Schiller – und zählte dazu ausdrücklich den blinden Gehorsam gegen die Direktiven unseres Innenlebens. Was wir (angeblich) wollen, hat sich zumeist längst von unserem Urteil, unserer Selbstreflexion abgekoppelt; skurril, doch wir aber erleben gerade unseren unreflektierten, ’spontanen’ Willen als unser eigentliches, wesentliches Selbst – nicht „von Gedankenblässe angekränkelt“. Angesichts dieser offenbaren Psychofalle lohnt es immer wieder, alles, was uns ‚natürlich’, wahr und wesentlich erscheint, als Hirnwäsche zu hinterfragen. Das scheinbar Selbstverständliche“ ist ja der Inbegriff von Ideologie – eben weil es angeblich fraglos gilt bzw. gelten soll. Die ganze eigene (Leit?)Kultur zum Beispiel, der Primat des Erwerbslebens samt der - zum größten Teil eben materiellen - Gestaltung unseres Lebens über das Medium Geld, diese unaufdringliche Alltagsautorität, so unsichtbar und doch allgegenwärtig wie Gott. Guilt fühlen wir da nur noch im Konfliktfall mit anderen Werten – und dieser ist höchst selten dieser Tage, da andere Werte längst zu individuellen Hobbies geschrumpft sind. Sollten wir diesen Grenzfall nicht womöglich institutionalisieren? Artneuland ist ein solcher Versuch. So wie einst Peirce behauptete, unser Verständnis setze erst ein, wenn etwas aufhöre, zu funktionieren, d.h. selbstverständlich zu sein; erst wenn wir alles scheinbar so Natürliche als Problem erleben, z.B. im Zusammenprall mit Fremdem, d.h. aus dessen Sicht, die Gründe und die Wirkungsweise unserer – süffisant von Pierce als bloße kontingente „working truths“ betitelten – heiligen Grundwahrheiten zu verstehen. Wahrheiten sind von Menschen gemacht – und daher änderbar durch Menschen. (Auch Gott schuf nicht den Menschen, der Mensch schuf Gott.) Fremdes an sich wirkt dergestalt schon als Heuristik des Verstehens, vor allem Inhalt. Guilt aber ist der Prototyp der Selbstentfremdung – mit dieser wiederum beginnt der kritische Blick – ex negativo auf die Relativität, positiv auf die Produktionsbedingungen der eigenen Vorstellungen (und damit auch auf Optionen und Legitimationen). Entfremdung wirkt noch immer als der erste Anstoß für die Künste, die Wissenschaften – und schließlich für jene stillschweigende politische Theologie, die jede Art Dis-Kurs ermöglicht. Im Grunde also jede Art Erkenntnis. Einschließlich jener Fähigkeit zur sozialen Navigation, die ein Nebeneinander in einer Miteinander verwandelt. Sich selber, die eigenen Identitäten und ihre Kognitionen als kontingent und wandelbar zu sehen, damit beginnt jedwede Aufklärung - zu der uns daher erst das ein-leuchtende und damit legitime Andere befähigt. Das ewig Fremde zieht uns hinan …



// September 2007
 
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